Liebauthal liegt in unmittelbarer Nähe von Königsberg und ist für Wanderfreunde
sogar sehr gut zu Fuß zu erreichen. Der kleine Ort ist auch heute noch, wie schon
damals, unübersehbar durch die Textilindustrie geprägt.
Der dort heute ansässige Betrieb ‚Libatex’ hat seine Ursprünge in der von den
Brüdern Franz und Ferdinand Lenk von Lengenfeld, 1828 errichteten Spinnerei, die
somit in diesem Raum die Lohnweberei einführten. 1858 wurden die ersten
mechanischen Webstühle in Betrieb genommen. Um 1860 wurde der Betrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und die Weberei auf 563 mechanische
Webstühle aufgestockt. 1873 geriet das Unternehmen aufgrund des Wiener Bankencrashs
in Schwierigkeiten und wurde für drei Jahre stillgelegt. 1876 wurde der Betrieb bis 1885 wieder aufgenommen. Wieder kam es mehrfach zu schweren Krisen bis 1892 schließlich
Ginsberg & Stroß das Unternehmen in Besitz nahmen. Im Jahre 1907 firmierte das
Textilunternehmen unter dem Namen ‚Noe Stroß AG der vereinigten Textilfabriken
Liebauthal und Weißwasser’.
Da es sich um jüdische Unternehmungen handelte, war das Schicksal durch die National-
Sozialisten bereits vorbestimmt. Die eigentlichen Besitzer wurden enteignet und andere
Pächter und Verwalter eingesetzt. Spätestens seit August 1940 bis zum Mai 1945
nannte sich das gleiche Unternehmen ‚Liebauthaler Textilwerke Fischer & Co., Liebauthal a.d. Eger, Sudetengau.
Ab 1942 wurde ein Teil der Fabrik zu Rüstungszwecken eingesetzt. Unter der Benennung
‚Walzbetrieb der Liebauthaler Textilwerke’, wurde ein Teil der Schweinfurter Kugellager-
erzeugung dorthin ausgelagert. Unter anderem kamen dort sogenannte ‚Fremdarbeiter’ aus
der Ukraine und Weißrussland zum Einsatz. Auch viele Königsberger Mädchen und Frauen
wurden zu jener Zeit dienstverpflichtet.
Die Fotos zeigen die Wohnblöcke, wo unsere Großeltern, Johann Scherbaum und Margarethe,
geb.Kunz und unser Vater, Josef Scherbaum, sowie dessen Bruder, unser Onkel, Eduard Scherbaum lebten und wohnten. An diesem Ort, Liebauthal Nr. 56, wurde auch unser Vater
1925 geboren. Auch die Familie Feistl und Plail, die mit unserer Familie untrennbar verbunden sind, lebten in Liebauthal. Tante Eva und Onkel Eduard (Plail) siedelten allerdings
deutlich später aus. Sie konnten damals bleiben, da Edi Bergmann war und zu einer gesuchten und im Lande geduldeten Berufsgruppe gehörte.
Liebauthal würde man heute wahrscheinlich als ein künstlich entstandenes Gewerbegebiet
bezeichnen. Der Ort wurde eigens zu seinem Zweck, dem Textilunternehmen, angelegt.
Liebauthal ist mehrfach umbenannt worden und hieß ursprünglich einmal ‚Lenke(n)thal’, nach den Begründern des Unternehmens. Auf tschechisch heißt Liebauthal heute
‚Libavske Udoli’
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